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AutorenbildCaroline Nebel-Martinez

Warum gute Zusammenarbeit wichtiger ist als Prozesse



Heute möchte ich mit euch darüber sprechen, warum aus meiner Sicht eine gute Zusammenarbeit auf menschlicher Ebene wichtiger ist als perfekt durchdachte Prozesse. Ein Prinzip des agilen Manifests besagt: „Individuen und Interaktionen sind bedeutender als Prozesse und Werkzeuge“. Aus meiner Erfahrung heraus kann ich das nur bestätigen.


Menschliche Interaktionen über Prozesse stellen


Meine berufliche Erfahrung zeigt: Wenn Menschen gut zusammenarbeiten, offen und transparent kommunizieren, dann können sie selbst unter schlechten Prozessen herausragende Ergebnisse erzielen. Umgekehrt führt es oft zu Problemen, wenn die Prozesse perfekt sind, aber die Zusammenarbeit der Menschen hakt und die Kommunikation stockt. Leider habe ich den Eindruck, dass dieser Teil des agilen Manifests in den letzten Jahren oft vernachlässigt wurde.


Natürlich sage ich nicht, dass Prozesse unwichtig sind. Sie helfen, Chaos zu vermeiden und schaffen Struktur. Aber zu viele Prozesse können schnell die Kreativität und Innovation hemmen. Sie sollten daher immer nur so umfangreich sein, wie unbedingt nötig.


Ein Blick in die Praxis


Mal ganz ehrlich: Wie oft habt ihr erlebt, dass ein Projekt genauso abläuft, wie es geplant war? Dass jede Situation in einem Prozess abgebildet werden kann? Oder dass alle sich immer an die Prozesse halten und das auch gern tun? Mir ist das noch nicht passiert.


Ein Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung: Vor über zehn Jahren habe ich einmal ein Projekt erlebt, das wirklich nach Scrum ablief, wie es ursprünglich gedacht war. Der Kunde war eng in die Entwicklung eingebunden, das Team arbeitete super zusammen und die Kommunikation war kurz und direkt. Es gab kein starres Budget oder festgelegte Termine, und der Scope war flexibel. Das Team hatte Spaß an der Arbeit, und die Ergebnisse waren gut. Alles lief reibungslos – bis ein neuer Stakeholder ins Spiel kam: ein großes Versicherungsunternehmen.


Plötzlich standen Geld, Termine und Scope im Vordergrund, und der flexible, kollaborative Ansatz funktionierte nicht mehr. Der neue Kunde konnte mit den Unsicherheiten nicht umgehen und war unzufrieden mit den Ergebnissen. Ich habe dann die Prozesse angepasst – aber nur so weit, wie es nötig war, um die Zusammenarbeit zu verbessern. Es ging darum, flexibel und situativ vorzugehen, damit sowohl das Team als auch der Kunde zufrieden waren.


Der hybride Ansatz: Mensch im Mittelpunkt


Mein Ansatz war in diesem Fall oft hybrid. Aber ist es nicht auch agil, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und dafür zu sorgen, dass gut zusammengearbeitet wird? Das bedeutet, offen zu kommunizieren, schnell zu reagieren und sicherzustellen, dass alle – sowohl die Kunden als auch die Mitarbeitenden – zufrieden sind. Die Kunden, weil sie die Software bekommen, die sie wirklich brauchen, und die Mitarbeitenden, weil sie in einem guten Umfeld arbeiten und einen wertvollen Beitrag zum Ergebnis leisten können.


Prozesse anpassen, nicht starr befolgen


Ich bin kein großer Fan von starren Frameworks und plädiere dafür, situativ zu entscheiden, was wirklich notwendig ist. Natürlich verstehe ich, dass Frameworks als Hilfestellung dienen können, um in die agile Arbeitsweise einzusteigen. Manchmal frage ich mich jedoch, ob diese nicht auch hinderlich sein können. Sollte nicht zuerst das agile Mindset im Vordergrund stehen?


Agile Führung ist anstrengender als ein direktiver Führungsstil. Eine Führungskraft muss loslassen können, ihren Mitarbeitenden vertrauen und bereit sein, Verantwortung abzugeben. Sie muss offen für Reflexion und bereit sein, zu erkennen, dass auch andere gute Ideen haben, die sie selbst nicht bedacht hätte. Dieser Führungsstil erfordert Experimentierfreude, Vertrauen und Mut – vor allem, weil man oft nicht genau weiß, ob ein bestimmter Weg zum Erfolg führen wird.


Vertrauen als Grundlage für gute Zusammenarbeit


Vertrauen ist das Herzstück guter Zusammenarbeit – wie ich bereits in meiner ersten Podcastfolge erwähnt habe. Ohne Vertrauen führen auch die besten Prozesse nicht zu den gewünschten Ergebnissen. Wenn Probleme auftauchen, werden oft einfach neue Prozesse eingeführt, statt genauer hinzuschauen, woran es wirklich liegt. Doch oft sind die Ursachen menschlicher Natur und vielschichtiger, als sie in einem Prozess abgebildet werden könnten.


Führungskräfte sollten hier coachen, genau hinschauen, sich die Zeit nehmen, mit den Beteiligten zu sprechen und gemeinsam Lösungen zu finden.


Prozesse sinnvoll gestalten


Zum Schluss möchte ich noch ein Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung anführen: In manchen Teams, die sich auf die Entwicklung neuer Funktionen konzentrieren sollten, wurden die Mitarbeitenden ständig durch Support- oder Wartungsanfragen gestört. Dies beeinträchtigte die Produktivität und die Zufriedenheit des Teams erheblich.


Wir haben gemeinsam nach Lösungen gesucht, die Prozesse minimal angepasst und experimentiert, bis es für alle passte. Wichtig ist hier, dass Prozesse nicht starr bleiben. Sie sollten regelmäßig überprüft und angepasst werden, wenn sie nicht mehr optimal funktionieren.


Fazit


Gute Zusammenarbeit basiert auf Vertrauen, offener Kommunikation und der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Prozesse sind wichtig, aber sie dürfen niemals wichtiger sein als die Menschen, die sie ausführen. Seid bereit, eure Prozesse immer wieder anzupassen und entfernt unnötige Strukturen, wenn sie den Fortschritt behindern. Nur so kann echte Agilität gelebt werden.

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